Pflegegrad beantragen: So werden die einzelnen Module berechnet

Pflegegrad beantragen: So werden die einzelnen Module berechnet

Nachdem Sie den Antrag auf einen Pflegegrad gestellt haben, besucht ein Gutachter oder eine Gutachterin Ihre Angehörigen zu Hause, um den Zustand besser einschätzen zu können. Die Begutachtung und Einstufung in einen Pflegegrad erfolgen anhand eines detaillierten Verfahrens, das aus verschiedenen Modulen besteht. Diese Module bewerten die Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten in unterschiedlichen Lebensbereichen.

Die Module der Pflegebegutachtung

Die Pflegebegutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MD) oder bei Privatversicherten durch Medicproof orientiert sich an sechs Modulen. Diese Module sind zentral für die Ermittlung des Pflegegrades und setzen sich wie folgt zusammen:

  1. Mobilität
  2. Kognitive und kommunikative Fähigkeiten
  3. Verhaltensweisen und psychische Problemlagen
  4. Selbstversorgung
  5. Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen
  6. Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte

 

Modul 1: Mobilität

Dieses Modul beurteilt, wie gut eine Person im Alltag ihre Körperhaltung ändern und sich fortbewegen kann. Es wird bewertet, ob eine Person alleine aufstehen, sich hinsetzen, sich innerhalb der Wohnung bewegen und Treppen steigen kann. Eine erhebliche Beeinträchtigung könnte vorliegen, wenn jemand nach einem Schlaganfall Schwierigkeiten hat, ohne Hilfe zu gehen oder aufzustehen. Der Gutachter wird beobachten, wie die Person aufsteht und sich hinsetzt.

Möglich ist auch, dass er zusätzlich z. B. fragt: "Können Sie ohne Hilfe aufstehen?" "Brauchen Sie Unterstützung beim Treppensteigen?" "Wie weit können Sie ohne Hilfe gehen?"

 

Modul 2: Kognitive und kommunikative Fähigkeiten

Hier werden die geistigen Fähigkeiten und die Kommunikationsfähigkeit bewertet. Es wird beurteilt, ob eine Person zeitlich, örtlich und situativ orientiert ist, sich an Dinge erinnern kann, Personen erkennt und in der Lage ist, Gespräche zu führen. Eine starke Beeinträchtigung könnte beispielsweise bei einer fortgeschrittenen Demenz vorliegen, bei der die betroffene Person regelmäßig den Weg nach Hause nicht mehr findet und Schwierigkeiten hat, Gespräche zu führen.

Der Gutachter kann im Gespräch versuchen, das Kurz- und Langzeitgedächtnis zu testen. Mögliche Fragen sind z. B.: "Welches Datum haben wir heute?" "Wo befinden wir uns gerade?" "Erkennen Sie diese Person (mit Hilfe eines Fotos)?"

 

Modul 3: Verhaltensweisen und psychische Problemlagen

Dieses Modul umfasst die Beurteilung von Verhaltensauffälligkeiten und psychischen Problemen wie Unruhe, Aggressivität, Ängste oder Depressionen. Der Gutachter wird versuchen, dies im Gespräch zu beobachten oder gezielte Fragen zu stellen. Es wird ermittelt, wie häufig und in welchem Ausmaß diese auftreten. Eine erhebliche Beeinträchtigung könnte vorliegen, wenn eine Person aufgrund einer psychischen Erkrankung häufig unter Angstzuständen leidet und dadurch regelmäßig Unterstützung benötigt.

Fragen zur Einschätzung des Moduls 3 können z. B. sein: "Wie fühlen Sie sich im Alltag?" "Haben Sie oft Angst oder sind Sie unruhig?" "Wie gehen Sie mit stressigen Situationen um?"

 

Modul 4: Selbstversorgung

In diesem Bereich wird die Fähigkeit zur eigenständigen Versorgung eingeschätzt. Dies betrifft die Körperpflege, das An- und Auskleiden, das Essen und Trinken sowie die Nutzung der Toilette. Zum Beispiel könnte eine Person aufgrund von Arthritis in den Fingergelenken nicht mehr in der Lage sein, sich selbstständig anzuziehen, Knöpfe zu schließen oder zu waschen, was eine erhebliche Beeinträchtigung der Selbstversorgung darstellt. Der Gutachter wird verschiedene Alltagstätigkeiten beobachten und Fragen dazu stellen, z. B. "Können Sie sich selbstständig anziehen?" "Brauchen Sie Hilfe beim Waschen?" "Können Sie selbstständig essen und trinken?"

 

Modul 5: Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen

Dieses Modul bewertet, wie gut eine Person mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen umgehen kann. Dazu gehört das planmäßige Einnehmen von Medikamenten, die Nutzung von Hilfsmitteln und das Bewältigen von Therapien. Eine Beeinträchtigung in diesem Modul könnte vorliegen, wenn eine Person mit Diabetes regelmäßig Insulin spritzen muss und dabei Unterstützung benötigt. Es ist möglich, dass der Gutachter die Fähigkeit zur Medikamenteneinnahme beobachtet, wenn es zeitlich passt. Alternativ sind Fragen zum Thema möglich, wie z. B. "Nehmen Sie Ihre Medikamente selbstständig ein?" "Brauchen Sie Hilfe bei der Nutzung von Hilfsmitteln (z. B. Rollator, Stützstrümpfe, etc.)?" "Wie oft und wie lange sind Sie in Therapie?"

 

Modul 6: Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte

Modul 6 soll zeigen, wie gut die betroffene Person in der Lage ist, ihren Alltag zu strukturieren und soziale Kontakte zu pflegen. Dies umfasst Aktivitäten wie Einkaufen und die Pflege von sozialen Beziehungen. Eine Beeinträchtigung könnte vorliegen, wenn eine ältere Person Schwierigkeiten hat, soziale Kontakte zu pflegen oder in die Zukunft zu planen. Der Gutachter wird hier die Alltagsorganisation beobachten oder Fragen zu sozialen Aktivitäten stellen: "Wie strukturieren Sie Ihren Tag?" "Haben Sie regelmäßige soziale Kontakte?" "Können Sie alleine einkaufen gehen?"

 

Berechnung des Pflegegrades

Die Punkte aus den einzelnen Modulen werden zu einer Gesamtsumme addiert. Diese Summe entscheidet über den Pflegegrad:

- Pflegegrad 1: Geringe Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit

- Pflegegrad 2: Erhebliche Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit

- Pflegegrad 3: Schwere Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit

- Pflegegrad 4: Schwerste Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit

- Pflegegrad 5: Schwerste Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung

Gewichtung der Module

Die Gewichtung der einzelnen Module ist unterschiedlich. Dies sorgt dafür, dass besonders die grundlegenden Fähigkeiten zur Selbstversorgung und der Umgang mit krankheitsbedingten Anforderungen stärker in die Bewertung einfließen. Bei Modul 2 und 3 fließt nur das Modul mit dem höheren Punktwert in die Beurteilung ein.

  1. Mobilität: 10%
  2. Kognitive und kommunikative Fähigkeiten: 15%
  3. Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: 15%
  4. Selbstversorgung: 40%
  5. Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen: 20%
  6. Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte: 15%

 

Beispielrechnung

Um die Gewichtung und Berechnung des Pflegegrades zu veranschaulichen, nehmen wir an, dass eine Begutachtung bei einem pflegebedürftigen Angehörigen folgende Punktbewertungen in den einzelnen Modulen ergeben hat, die entsprechend der Gewichtung der Module berechnet und addiert werden:

Modul

Punktzahl

Gewichtung

Ergebnis

1 Mobilität

4

10%

0,4

2 Kognitive und kommunikative Fähigkeiten

10

15%

1,5

3 Verhaltensweisen und psychische Problemlagen

8

15%

1,2

4 Selbstversorgung

25

40%

10

5 Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen

15

20%

3

6 Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte

9

15%

1,35

Gesamtsumme

 

100%

16,25

 

Diese Gesamtsumme wird genutzt, um den Pflegegrad zu bestimmen. Die Zuordnung zu den Pflegegraden erfolgt typischerweise anhand folgender Punktwerte:

- Pflegegrad 1: 12,5 bis unter 27 Punkte

- Pflegegrad 2: 27 bis unter 47,5 Punkte

- Pflegegrad 3: 47,5 bis unter 70 Punkte

- Pflegegrad 4: 70 bis unter 90 Punkte

- Pflegegrad 5: 90 bis 100 Punkte

In diesem Beispiel würde der pflegebedürftige Angehörige mit 16,25 Punkten in Pflegegrad 1 eingestuft werden, was auf geringe Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit hinweist.

 

Fazit

Die Berechnung der Pflegegrade erfolgt auf Basis eines detaillierten Modulsystems, das die verschiedenen Aspekte der Beeinträchtigung der Selbstständigkeit bewertet. Ein genaues Verständnis dieser Module kann dabei helfen, den Prozess der Pflegegradbeantragung besser zu verstehen und vorzubereiten.

 

Nützliche Tipps für Sie:

- Pflegetagebuch führen: Notieren Sie detailliert, welche Unterstützung Ihr Angehöriger benötigt und wie viel Zeit dafür aufgewendet wird.

- Dokumente sammeln: Sammeln Sie alle relevanten medizinischen Unterlagen wie Arztberichte, Krankenhausentlassungsberichte, Medikamentenpläne und Therapiepläne.

- Ehrlich und offen sein: Seien Sie beim Begutachtungsgespräch ehrlich und stellen Sie den tatsächlichen Pflegeaufwand klar dar. Es kann hierbei sein, dass sich Ihre Einschätzung von der Ihres Angehörigen unterscheidet. Beide Perspektiven sind aber sehr wichtig, also äußern Sie ehrlich Ihre Meinung.

- Unterstützung in Anspruch nehmen: Nutzen Sie die Beratungsangebote der Pflegekassen, Pflegestützpunkte und Krankenkassen sowie das Bürgertelefon des Bundesministeriums für Gesundheit unter der Telefonnummer 030 3406066-02.

 

Weitere Hilfen und Quellen

Was Pflegegrade bedeuten und wie die Einstufung funktioniert: https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/gesundheit-pflege/pflegeantrag-und-leistungen/was-pflegegrade-bedeuten-und-wie-die-einstufung-funktioniert-13318

Pflegebedürftigkeit – was nun? https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/pflege/online-ratgeber-pflege/pflegebeduerftig-was-nun/pflegebeduerftigkeit.html

Pflegebegutachtung https://www.betanet.de/pflegebegutachtung.html

Zurück zum Blog

Hinterlassen Sie einen Kommentar

Bitte beachten Sie, dass Kommentare vor der Veröffentlichung freigegeben werden müssen.